Rhetorischer Angriff auf ein unzulässig vereinfachtes oder grob verzerrtes und daher leicht zu widerlegendes Argument, mit der (impliziten) Unterstellung, dass damit auch das ursprüngliche Argument widerlegt sei.
Beispiel:
A: Wir sollten mehr Geld in Erziehung und Schulen investieren, um sicher zu stellen, dass unsere Kinder die beste mögliche Ausbildung haben.
B: Anscheinend glaubt A, dass unsere Kinder dumm sind. Wir sind uns doch sicher alle einig, dass unser Nachwuchs in Wahrheit sehr clever ist.Der Vorschlag ist daher unsinnig.
Tatsächlich hat A nicht behauptet, dass die Kinder „dumm“ seien, sondern dass die Ausbildung verbessert werden sollte. Wenn B dies behauptet und (übrigens mittels eines Appells an Emotionen) angreift, benutzt er ein Strohman-Argument.
Der deutsche Ausdruck „Strohmann“ ist eine direkte Übersetzung des englischen Begriffes „Straw man“. Dieser bezieht sich auf Puppen (meist aus Stroh), die als Trainingsgegner z.B. beim Fechttraining eingesetzt werden. Diese sind naheliegender Weise sehr viel einfacher zu „besiegen“ als ein richtiger Gegner.
Als Übersetzung wurde auch schon „Argument gegen Pappkameraden“ vorgeschlagen, was in der Tat die Bedeutung des englischen Namens besser wiedergibt. Da aber auch im Deutschen oft der englische Ausdruck „Strawman“.verwendet wird, ist der direkt übersetzten Begriff wahrscheinlich nützlicher.
Eine gut aufgebaute Argumentation oder Diskussionsposition sauber zu widerlegen ist keine einfache Aufgabe und gerade wenn diese auch komplex ist, kann es aufwändig und schwierig sein, dies auf eine zufrieden stellende Weise zu tun.
Schlimmer noch: allzu leicht findet man bei der Auseinandersetzung mit der gegnerischen Position heraus, dass die eigene Argumentation in der bisherigen Form nicht mehr haltbar ist. Oder womöglich findet der ein oder andere Beobachter die Position des Gegners dann auch noch einleuchtender als die eigene…
Stattdessen ist es viel einfacher, dem Gegner eine verzerrte Argumentation in den Mund zu legen, die mit geringem Aufwand, vollständig und auch für alle verständlich widerlegbar ist.
Im Folgenden werden einige übliche Methoden, Strohmann-Argumente vorzubringen, kurz angerissen. Diese Liste erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Es wird eine verzerrte, übermäßig vereinfachte oder einfach komplett falsch dargestellte Version der gegnerischen These dargestellt. Diese ist so gestaltet, dass sie leichter zu widerlegen oder abzuweisen ist.
Im extremen Fall wird auf das eigentliche Argument des Gegners überhaupt nicht mehr eingegangen und stattdessen gleich etwas völlig anderes „widerlegt“ (siehe: Ignoratio Elenchi).
Die Position wird hierbei durch einen vorgeblichen Gegner dargestellt (der eine Rolle ähnlich des Advocatus Diaboli einzunehmen vorgibt). Allerdings nutzt dieser Scheingegner dann nur schwache und leicht zu widerlegende Argumente.
Oftmals muss man einen solchen Scheingegner noch nicht einmal erfinden – in fast jeder Gruppe findet sich auch der eine oder andere Vertreter, der besonders abstruse und wenig durchdachte Positionen vertritt. Sucht man sich gezielt diese zur Widerlegung heraus, um zu vermeiden, sich mit schlagkräftigeren Argumenten auseinandersetzen zu müssen, spricht man auch von „Nutpicking“.
Wird dabei vorgegeben, dass mit der Widerlegung der (schwachen) Argumente des Scheingegners auch die (stärkeren) Argumente des Gegenredners widerlegt seien, handelt sich um ein Scheinargument.
In vielen Fällen enthalten „Strohmann Argumente“ aber auch Aspekte einer unfairen Diskussionstaktik und natürlich können sie auch als Ablenkungsmanöver benutzt werden.
Es handelt sich nicht um ein Strohmann Argument, wenn ein abstrakt und womöglich vage formuliertes Argument des Gegners konkretisiert wird, um es zu verdeutlichen. Insbesondere wenn ein Beispiel vorgebracht wird. Allerdings muss dies natürlich die gegnerische Position fair und korrekt wiedergeben.
Hat man die Thesen des Gegners tatsächlich nicht vollständig verstanden, oder steht zu befürchten, dass zumindest ein Teil der Zuhörer sie nicht verstanden haben, kann es sinnvoll sein, sie nochmals in eigenen Worten zusammenzufassen. Sinnvollerweise bittet man den Gegner dann aber um eine Bestätigung, dass dies seine Position korrekt wiedergibt.
Wenn ein Eisberg schmilzt, nimmt das Schmelzwasser genau so viel Platz ein, wie der Eisberg vorher verdrängt hat.
Daher wird durch ein Abschmelzen der Eisberge der Meeresspiegel nicht steigen.
Also sind Warnungen vor einem steigenden Meeresspiegel durch die globale Erwärmung unsinnig.
Der Redner hier verweist auf das sog. Archimedische Prinzip, nach dem ein schwimmender Körper genau so viel Wasser verdrängt, wie seinem Gewicht entspricht. Schmilzt der Eisberg, nimmt das so gewonnene Wasser also ziemlich genau den Platz ein, den der Eisberg zuvor verdrängt hat (kleinere Abweichungen aufgrund des Gewichtsunterschiedes zwischen Süß- und Salzwassers sowie der Wärmeausdehung sind hierbei nur wenig relevant).
Allerdings „vergisst“ der Redner zu erwähnen, dass das Schmelzen von schwimmenden Eisbergen nie ernsthaft als Grund für das Ansteigen des Meeresspiegel aufgeführt wurde. Das eigentliche Problem sind Eismassen, die nicht schwimmen, also etwa Gebirgsgletscher und vor allem die Inlandseismassen etwa in Grönland oder der Antarktis.
Es wird also eine andere Frage angegriffen als die, welche als widerlegt vorgegeben wird und zwar eine, die leicht zu widerlegen ist, es handelt sich daher um ein Strohmann-Argument. So löblich es ist, seinen Lesern physikalisches Grundwissen beizubringen, als Widerlegung von Argumenten zum Ansteigen des Meeresspiegels taugt die Erläuterung leider nicht.
Aber auch auf der anderen Seite der Diskussion findet man Strohmann-Argumente. Man betrachte die folgende Aussage:
Alle Argumente gegen Klimaschutz sind in Wirklichkeit rhetorische Tricks.
Es gibt keine Argumente gegen Klimaschutz.
Es ist in der Tat schwer, gegen (mehr) Klimaschutz zu argumentieren, ohne den Stand der Wissenschaft in Frage zu stellen (☞ Alternative Fakten) oder auf eher abwegige Positionen zu geraten – etwa den Wunsch nach mehr Sommertagen (was wahrscheinlich eher in die Rubrik Wunschdenken gehört).
Aus diesem Grund wird sich auch kaum jemand ernsthaft gegen Klimaschutz positionieren. Die gesellschaftliche Diskussion dreht sich eher um die Frage, welche Kosten und Veränderungen für welche Personengruppe zum Zwecke des Klimaschutzes zumutbar sind, welche tatsächlich effizient sind, und welche Kosten die Gesellschaft als Ganzes zu tragen bereit ist.
Durch die obige Aussage wird implizit der gegnerischen Seite vorgeworfen, gegen Klimaschutz zu sein, wenn diese tatsächlich argumentiert, dass bestimmte Maßnahmen nicht zumutbar oder ineffizient seien. Es handelt sich daher um ein Strohmann-Argument.
Laut Kant können wir tun und lassen, was wir wollen, solange es alle anderen auch dürfen.
Daraus folgt, dass wir uns auch gegenseitig ermorden dürften.
Folglich ist Kants Philosophie als ethische Handlungsanleitung widersinnig.
Würde die erstgenannte Aussage wirklich Kants Kategorischen Imperativ widerspiegeln, wäre dieser in der Tat kein brauchbarer Leitfaden für moralisches Handeln. Tatsächlich ist das aber eine grob vereinfachende Darstellung, die nur noch oberflächliche Ähnlichkeit mit Kants Philosophie hat. Eine solche „Widerlegung“ taugt daher nicht zur Kritik am Kategorischen Imperativ.