Anstelle eines Argumentes zu einer Position wird einfach auf die Aussage einer Autorität verwiesen.
Es gibt gute Gründe, die Meinung von Autoritäten zu bestimmten Fragen einzuholen und auch ernst zu nehmen: Bei einer ernsthaften Erkrankung ist ein Arzt bzw. Ärztin die Autorität, deren Aussage man nicht leichtfertig übergehen sollte. Ebenso sollte man wohl Wirtschaftswissenschaftler als Autoritäten in ihrem Fachbereich befragen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen etwa eine Gesetzesänderung hat, u.s.w.
Allerdings ist auch ein Experte grundsätzlich nicht vor Irrtümern gefeit und es gibt zahlreiche Beispiele, in denen sich die Meinungen von Autoritäten im Nachhinein als falsch herausgestellt haben.
Dies alles sind keine Gründe, die Meinungen von Experten grundsätzlich abzulehnen, aber ein Hinweis darauf, dass alleine die Tatsache, dass ein Experte eine bestimmte Meinung äußert, kein hinreichender Beweis für die Richtigkeit dieser Meinung ist.
Dazu kommen auch Situationen, in denen sich Experten widersprechen, etwa weil es unter diesen unterschiedliche Meinungen zum Sachverhalt gibt.
Letztlich ist eine Abwägung nötig, zwischen einem möglichen Wissensvorsprung, den eine Autorität hat und der Notwendigkeit, die Autorität zu hinterfragen.
Bestimmte Autoritäten haben eine Bestimmungsgewalt über den Diskusionsgegenstand, d.h. die Sachlage ist so, weil diese Autoritäten es so sagen. Dazu gehören unter anderem Gesetzestexte, Gerichtsurteile, technische Spezifikationen und – je nach Sichtweise – möglicherweise auch bestimmte religiöse Institutionen. In diesem Fall ist eine Diskussion natürlich müßig. Das Wort dieser Autorität ist – im Extremfall sogar ganz wörtlich – Gesetz.
Beispiel:
A: Unfallflucht ist in Deutschland strafbar!
B: Wer sagt das?
A: Das steht im Strafgesetzbuch, § 142.
Da das Strafgesetzbuch eine normative Autorität ist, ist ein solcher Verweis gerechtfertigt.
Ähnliches gilt für Institutionen, die eine Entscheidungsgewalt haben. So eine Institution sind z.B. die Eltern, die ihren Kindern bestimmte Vorgaben machen dürfen. Jeder, der selbst Kinder hat, kennt wohl Diskussionen wie im folgenden Beispiel:
Kind: Warum muss ich denn schon in’s Bett?
Vater: Weil ich und deine Mutter festgelegt haben, dass 8 Uhr für dich Schlafenszeit ist.
Das Festlegen der Schlafenszeit gehört zur normativen Kompetenz der Eltern und entsprechend reicht der Verweis darauf aus, um diese Diskussion zu beenden (Kinder sehen das mitunter anders).
Bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 war der Duden die normative Autorität zur deutschen Rechtschreibung. Auch wenn dies heute nicht mehr gilt, kann man bei Fragen zur korrekten Schreibweise von Wörtern zumindest immer noch davon ausgehen, dass die Redaktionen der großen Wörterbuchverlage einen gewissen Wissensvorsprung in diesem Bereich haben und man sie deshalb ernst nehmen sollte.
Des weiteren ist ein Verweis auf eine Autorität gerechtfertigt, wenn diese ein deutlich größeres Wissen zum Thema als die Diskussionsteilnehmer hat.
So sollte man z.B. zunächst davon ausgehen, dass ein zugelassener Arzt, nach langjähriger Ausbildung und praktischer Erfahrung, einen Wissensvorsprung vor den meisten – auch medizinisch interessierten – Patienten hat, der ernst genommen werden sollte.
A: Warum nimmst du Antibiotika? Die schaden doch mehr, als sie nützen.
B: Weil mein Arzt sie mir verschrieben hat um die Infektion zu bekämpfen.
Auch wenn sich – siehe oben – auch Ärzte täuschen können und unterschiedliche Herangehensweisen an bestimmte Erkrankungen haben, wiegt die Empfehlung des Arztes zunächst (bis zum Beweis des Gegenteils) deutlich schwerer als eine eventuelle Laienmeinung zum selben Thema.
In Umkehrung des oben Gesagten ist die Aussage einer Autorität grundsätzlich ein Scheinargument, wenn diese keinen deutlichen Wissensvorsprung vor den Diskutanten hat.
Während z.B. in der Diskussion mit einem medizinischen Laien der Verweis auf die Meinung eines Arzt eine Trumpfkarte ist, steht dieser wenn es um die gleiche Frage unter Ärzten geht, auf einer Stufe mit diesen und kann damit nicht als Autorität auftrumpfen.
Auch normative Autoritäten wie Gesetzestexte oder technische Spezifikationen haben eine Entstehung- und oft eine Revisionsgeschichte. Wenn die Diskussion darüber geht, ob und wie solche Regeln aufgestellt bzw. geändert werden sollen, dann ist ein schlichter Verweis auf den Status Quo nicht hilfreich.
Des weiteren gibt es eine ganze Reihe von ungültigen Verweisen auf eine Autorität, die in keinem Fall zu rechtfertigen sind. Insbesondere wenn die zitierte Autorität überhaupt keine ist, oder wenn das Zitat nicht von dieser stammt, oder falsch (z.B. in falschem Kontext) zitiert ist.
Scheinargumente dieser Art sind so zahlreich und in ihrer Qualität deutlich verschieden vom Autoritätsargument, dass diese einen eigenen Artikel haben: → Verweis auf eine falsche Autorität.
In einer Variante des Autoritätsargumentes wird ein Argument abgewiesen, da es gerade nicht von einem Experten stammt.
Im Extremfall wird auch Expertenwissen allein an einer formellen fachlichen Ausbildung festgemacht. Man bekommt dann Aussagen wie die folgende zu hören:
Das kann XYZ gar nicht wissen, der hat das nicht studiert.
Prinzipiell ist es für die Gültigkeit eines Argumentes zunächst völlig irrelevant von wem es vorgebracht wird – dies gilt im negativen Sinne ebenso wie im positiven. Und ebenso wie sich auch Experten (zumindest gelegentlich) irren, haben Laien auch korrekte Einsichten.
Wenn eine Laienmeinung gegen eine Expertenmeinung steht, ist es dennoch empfehlenswert, zunächst einmal dem Experten mehr Glauben zu schenken.
Das eigentliche Gegenstück zum Autoritätsargument sind jedoch die verschiedenen unter „Schuld durch Assoziation“ genannten Formen von Ad-Hominem-Argumenten. Hierbei wird eine Position oder ein Argument allein deswegen abgelehnt, weil sie auch von einer Person oder Gruppe vertreten wird, die einen schlechten Ruf hat.